Gebusselt von einem Chinesen.

Zu Weihnachten bin ich mit dem Zug von Wien nach Tirol gefahren.
Ich fuhr an einem Donnerstag. Tage zuvor wollte ich einen Platz reservieren, doch die Bahnangestellte sagte: "Sie fahren ja an einem Donnerstag, da ist nie viel los, auch nicht zu Weihnachten." Das hat sich als falsch erwiesen, denn die Züge waren bis auf den letzten Platz voll bzw. reserviert. Mein Glück war es, früh genug dort gewesen zu sein. Ich hatte einen der begehrten Fensterplatz- in Fahrtrichtung- Sitzplätze ergattert.

In St. Pölten stieg mein Sitznachbar aus und es setzte sich ein asiatischer Mann neben mich.

Ich griff zu mitgebrachter Schokolade und genoß ein Stück, da merkte ich, dass mich der Asiate ansah. Ich bot ihm ein Stück an, denn sein Blick deutete daraufhin, dass er auch Lust auf Schokolade hatte. Jedoch lehnte er mit der Begründing, seine Zähne wären schlecht, dankbar ab. Aber wir fingen an zu sprechen. Er war Chinese und Koch im China Restaurant in St. Pölten. Er war auf dem Weg zu seiner Familie in Linz. In seinem gebrochenen Deutsch erzählte er mir von seiner Arbeit, dem Pendeln, seinen Kindern, China, seiner Heimatstadt, ... . Kaum wollte ich mich meinem Buch widmen, sprach er ein neues Thema an. Klarerweise erzählte ich ihm auch von mir. Er zeigte mir Fotos seiner Kinder. Wenn er von ihnen sprach leuchteten seine Augen auf. Das war schön.
Als wir Linz erreichten und er aussteigen wollte, fiel ihm der Abschied schwer. Er wurde still und schien zufrieden, aber an seinem Blick konnte ich sehen, dass er noch was sagen wollte. Er sagte nur noch: Danke, war schön Sie kennen zu lernen. Frohe Weihnachten und gute Fahrt, oder so. Ungefähr das Gleiche erwiderte ich ihm.
Wir schüttelten uns die Hände, als er mich plötzlich zu sich riss und mir meine Wangen mit feuchten Bussis abschmatze.
Ich war verblüfft, und dachte, dass ich bisher von keinem Chinesen abgebusselt worden bin.
Wahrscheinlich fühlte er sich durch meine Aufmerksamkeit für ihn, als Mensch, als chinesischer Migrant, wahrgenommen, und das von einer nicht Asiatin. Dies führte gleich zu solcheinem Gefühlsausbruch.
Die Menschen rund um mich, die das beobachtet hatten, lächelten mich an. :)

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Savis Homayouni (32) lebt und arbeitet in Wien und Tirol. das.ist.basilikum@gmx.at

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