Mittwoch, 23. Februar 2011

Herkunft: Klappe, die Dritte !

Heute möchte ich von einer Situation erzählen, die in meinem Leben immer wiederkehrt.
Die Sache mit der Herkunft. Ja, die wurde auch in den letzten Blogeinträgen behandelt und ist derzeit offensichtlich ein Thema, welches meinen Alltag mitprägt. Ich dachte bis vor kurzem noch ich hätte damit abgeschlossen und zu meiner Mitte gefunden. Dieser Meinung bin ich zwar immer noch, aber ich werde mit meiner Herkunft immer wieder konfroniert. Einige Mitmenschen scheinen mit meiner Position nicht klar zu kommen. Die Meinungen macher Menschen lassen sich nicht so schnell ändern-welches bedeutet, dass ich an meinen Antworten und Reaktionen arbeiten sollte, um zufriedener zu sein.

Ich bin äußerlich ein relativ heller Mensch, habe helle Haut und Haarfarbe. Ich bin auf dem ersten Blick nicht als Mensch mit Migrationshintergrund, wie es heißt, zu erkennen.
Ich könnte mich durchaus als Österreicherin ohne Migrationshintergrund ausgeben. Als Österreicherin bezeichne ich mich auch, wenn man mich fragt, nur füge ich die Herkunft meiner Eltern immer hinzu. Wenn nicht am Gesprächsanfang, dann im weiteren Verlauf. Ohne die Zusatzinfo über meine Herkunft würde ich mich nicht vollständig fühlen, es würde etwas Fehlen. Denn auch das macht mich aus.
Aber diese Nebensache ist für manch Andere Hauptsache.

Gestern bin ich mit dem Taxi gefahren. Wiedereinmal. Diesmal fiel es mir schwer ein Taxi zu bekommen, obwohl sehr viele Autos mit gelbleuchtenden Schildern an mir vorbei fuhren und ich winkte.
Ich befand mich auf der Linzer Strasse. Das ist, wie ich es vorort in Erfahrung brachte, eine Strasse auf der Prostituierte ihre Dienste anbieten (zu mindest ein Teil davon). Genau deshalb wollte kein Taxi für mich anhalten. Sie dachten ich sei eine Dame, die nach einem Freier ausschau hielt.
Schließlich blieb ein Taxi stehen. Der Taxler kurbelte sein Fenster hinunter und fragte mich was ich wolle.
Ich sagte ihm, dass ich nach Hause möchte. Das war offenbar die richtige Antwort, denn er ließ mich einsteigen.
Der Taxifahrer war Türke und wir kamen ins Gespräch.
Er fragte mich, ob ich Deutsche sei. Ich sagte ihm, dass ich Österreicherin bin und meine Eltern aus dem Iran sind. (meine derzeitige Standard-Antwort)

Diese Antwort verwirrte ihn jedoch. Anfangs dachte er wahrscheinlich, dass ich von einem iranischen Ehepaar adoptiert wurde. :)
Aber dann erklärte ich ihm, dass ich hier geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen bin. (Im Fachjargon: Sozialisierung.)
Dass ich Deutsch bei weitem besser beherrsche wie Farsi und vor allem deutschsprachige Medien konsumiere. Das alles sind für mich Gründe, mich vordergründig als Österreicherin zu betrachten. Mir gefallen diese Nationalzuschreibungen zwar nicht, aber manchmal muss man sich entscheiden.

Das Ganze führte bei ihm zu noch grösserer Verwirrung.
Und dann, als er meine Position verstand, sah er es nicht ein.

Er wiederholte immer wieder, dass ich doch Iranerin sei, weil meine Eltern aus dem Iran stammen.
Darauf antwortete ich ihm erneut mit: "Nein, ich bin Österreicherin iranischer Herkunft."
(Im Moment, denn Identität und Zugehörigkeit eines Menschen sind im stetigen Wandel, finde ich)

Seiner Ansicht nach, wäre seine Erziehung fehlgeschlagen, wenn sich sein Kind als Österreicher und nicht als Türke bezeichnete.
Diese Position konnte ich abermals nicht teilen.
Er argumentierte mit Europäern in Afrika, die sich doch nicht als Afrikaner bezeichnen können. Das wäre doch lächerlich und unglaubwürdig, meinte er.
Meine Antwort lautete:" Es kann niemand entscheiden, wohin sich diese Menschen zugehörig fühlen, ausser sie selbst. Sie müssen selber entscheiden, wie sie sich fühlen oder auch nicht. Man kann Menschen doch nicht von aussen einem Land und einer Kultur zuordnen."
Weiters erzählte ich ihm vom Identitätsfindungsprozeß, mit dem in mehreren Kulturen beheimatete Menschen konfrontiert sind. Dass ich mich als Kind und Jugendliche, durch die ideelle und emotionale Nähe zu meinen Eltern, als Iranerin fühlte. Dies hätte sich aber im Laufe der Jahre und der Abnabelung von meinen Elternhaus geändert. Dies kann sich auch wieder ändern.

Jedenfalls kamen wir bis zum Ende der Fahrt auf keinen gemeinsamen Nenner. Ich bin nicht unzufrieden mit dem offenen Ausgang und bin auf die nächste Herkunftsdiskussion gespannt.
Denn die kommt bestimmt!

Ich würde mir allerdings wünschen, dass dieses ewige Herkunftsthema kein Thema mehr ist, sondern als Nebensache wahrgenommen wird und seine Wichtigkeit verliert.

Wann wird "Herkunft: Klappe, die Vierte" folgen, frag ich mich.

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